Am Ende des Zweiten Weltkrieges hat dieses Schicksal Millionen ereilt, Menschen deutscher Sprache und Kultur. Sie wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Sie lebten im Sudetenland, in Schlesien, in Pommern, in Ostpreußen, in Rumänien, in Ungarn, in Russland, im ehemaligen Jugoslawien. Jetzt wurden sie gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Viele wurden in Lagern interniert unter unmenschlichen Bedingungen. Viele kamen zu Tode. Sie verhungerten. Sie starben an den Folgen von Krankheiten. Sie wurden ermordet. Überlebende kamen nach Deutschland in die Heimat ihrer Vorfahren. Hier fanden sie eine neue Heimat, auch hier in Böfingen und Jungingen. Hier bauten sie sich eine neue Existenz auf. Sie arbeiteten hart. Sie hielten zusammen. Heimat – wie wertvoll sie ist, das erfahren Menschen, wenn sie die Heimat verlieren. Noch nie warten so viele heimatlos, auf der Flucht wie in unserer Zeit. Sie fliehen vor Krieg und Gewalt. Sie fliehen vor Hunger und Not. Sie gehen weg aus ihren Ursprungsländern, weil sie dort keine Zukunft haben, vor allem die jungen Leute. Wir hier in Deutschland versuchen zu helfen, indem wir Geflohene aufnehmen, so gut es geht. Wir versuchen zu helfen, indem wir etwas dafür tun, dass in den Herkunftsländern die Lebensbedingungen besser werden, langsam. Auch die Kirche tut, was sie kann, damit Menschen Heimat finden. Heimat – in unseren beiden Gemeinden Zum Guten Hirten in Böfingen und St. Josef in Jungingen sind wir in den letzten zwei Jahren einen Weg gegangen unter dem Namen Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten gestalten. Wir haben uns überlegt, wie und wo wir Kirche sind. Wir haben uns überlegt, wie und wo wir in Zukunft Kirche sein wollen. Vier geistliche Haltungen tragen uns: 1. Das Vertrauen. Wir vertrauen auf Gott und wir vertrauen einander, und Gott traut uns etwas zu. Vertrauen. 2. Das Wertschätzen. Wir schätzen es, dass wir miteinander unterwegs sind. Wir schätzen es, dass Gott mit uns geht. Wertschätzen. 3. Das Lassen. Wir lassen die Menschen erst einmal so sein, wie sie sind, denn andere gibt es nicht. Wir lassen zu, dass Neues entsteht. Wir lassen Dinge bleiben, die sinnlos geworden sind. Lassen. 4. Das Erwarten. Wir haben etwas zu erwarten in der Zukunft von Gott, von uns selbst, von anderen. Wir haben Hoffnung. Alles wird gut. Erwarten. Ausgehend von diesen vier Haltungen haben wir Ziele formuliert: Wir wollen Gemeinschaft mit Gott und miteinander erfahren und ermöglichen, in den Gottesdiensten und in anderen Veranstaltungen. Wir wollen Kinder, Jugendliche und Familien fördern und ihnen in der Kirche Heimat geben. Kirche als Heimat, christlicher Glaube als Heimat, das ist uns wichtig. Unsere Heimat ist im Himmel. Das sagt Paulus. Er selbst war ja eher heimatlos. So ist zumindest der äußere Eindruck. Paulus reist von einer Gemeinde zur nächsten. Jerusalem, Antiochia, Philippi, Thessaloniki, Athen, Korinth, Rom. Nur wenige Tage oder Wochen hält er sich an einem Ort auf. Er verkündet das Evangelium. Er schaut nach dem Rechten. Er bittet um Spenden für Menschen in Not. Dann zieht er weiter. Ein Wanderer. Ein Missionar. Möglichst viele Menschen sollen die frohe Botschaft hören. Sie sollen von Jesus erfahren. Deshalb kann der Apostel nicht lange an einem Ort verweilen. Aber, ist er deshalb heimatlos? Unsere Heimat ist im Himmel. Paulus lebt aus diesem Wort. Wie ist es zu verstehen? Am Ende unseres irdischen Lebens, da ist uns eine ewige Wohnung im Himmel bereitet. Das ist richtig. Aber diese Deutung greift zu kurz. Himmel, Reich Gottes, das beginnt ja nicht erst nach dem Tod im Jenseits. Das Reich Gottes, das Himmelreich, es ist schon mitten unter uns. So sagt Jesus. Überall wo Jesus wirkt, da ist Reich Gottes, Himmelreich. Überall wo seine Jünger Gutes tun, da ist Reich Gottes, Himmelreich. Reich Gottes, das ist Gerechtigkeit, Frieden und Freude im Heiligen Geist. So sagt es Paulus im Römerbrief. Überall, wo Menschen in gerechten Verhältnissen leben, in Frieden, überall wo Menschen Freude am Leben haben, da ist schon ein Stück Himmel auf die Erde gekommen. Da berühren sich Himmel und Erde. Da spüren die Menschen: Gott ist am Werk, sein Heiliger Geist. Er meint es gut mit uns. Heimat – Paulus findet sie überall, wo Menschen auf Gott vertrauen. Überall, wo Menschen an Jesus glauben, überall, wo Menschen sich von Gottes Geist leiten lassen, da ist Paulus zuhause, daheim. Er lädt uns ein, sein Sicht der Welt zu teilen. Er lädt uns ein, mit offenen Augen durch das Leben zu gehen, damit wir sehen: Gott ist am Werk mitten in unserer Welt. Unsere Heimat ist im Himmel. Ein Stück Himmel kommt zu uns auf die Erde, da wo Jesus wirkt, da wo seine Jünger wirken, da wo wir Christen sind.

Pfr. Dr. Bernhard Lackner