„Lasst uns froh und munter sein und uns recht von Herzen freuen! . . . “, so schallte es uns beim Einzug in die Grundschulklassen der Eduard-Mörike-Schule immer wieder entgegen. Nikolaus ist über die Grenzen unserer christlichen Kultur hinaus bekannt. Auf die Frage „Wer war Nikolaus?“ ertönte häufig als Antwort: „Nikolaus war ein Türke!“, was so natürlich nicht ganz stimmt. Diese Vereinnahmung lässt jedoch die Integrationskraft erkennen, die der Gestalt unseres Heiligen inne wohnt. Die Schüler hörten aufmerksam zu, als wir ihnen die Legende von den drei Jungfrauen erzählten. In dieser Geschichte wird berichtet, wie Nikolaus auf die Notsituation eines Mannes aufmerksam wird. Er fürchtet um die Zukunft seiner drei Töchter, die nicht heiraten können, weil er keine Mitgift bezahlen kann. Nikolaus greift ein! Dreimal schleicht er sich im Schutze der Dunkelheit an das Haus heran, um jedes Mal ein Säckchen mit Goldmünzen durchs offene Fenster zu werfen. Beim dritten Mal gelingt es dem Vater, den unbekannten Wohltäter einzuholen und zu erkennen. Und obwohl er Nikolaus versprechen muss, nichts über diesen Vorfall zu erzählen, kann er sein Glück doch nicht für sich behalten. Und so wird Nikolaus bis heute als Patron der heiratswilligen Mädchen - und eigentlich aller Kinder - verehrt. Später entsteht daraus die Vorstellung, dass Nikolaus auch für die Geschenke zuständig ist. Die dritte Strophe „Wenn ich aufgestanden bin, lauf’ ich schnell zum Teller hin . . .“ erinnert heute noch daran. Als dieser liebe gute Nikolaus während der Aufklärung zum bösen Nikolaus mutierte – zum Beispiel durch Heinrich Hoffmann im Struwwelpeter – verlor er seinen uns wohlvertrauten bischöflichen Ornat, der durch einen roten Mantel und eine rote phrygische Mütze ersetzt wurde. Während seiner Metamorphose zum amerikanischen Santa Claus und dann zum Father Christmas oder Weihnachtsmann blieb ihm immerhin die rote phrygische Mütze als Hinweis auf seine kleinasiatische Herkunft erhalten. Allmählich setzte sich seine Darstellung als fröhlicher beleibter alter Mann mit rotem Gewand und Zipfelmütze durch, der - warum auch immer - nun am Nordpol residiert und auf einem Rentierschlitten daher kommt. Trotz seines stark geänderten Erscheinungsbildes nennen ihn nur sehr wenige „Weihnachtsmann“. Offenbar ist der Wiedererkennungswert seiner Gestalt so hoch, dass jeder in ganz Amerika ihn wie selbstverständlich „Nikolaus“ oder „Santa Claus“ oder einfach „Santa“ nennt. Wir verkennen nicht die kommerzielle Seite dieser Figur. Bei der Schirmherrschaft des hl. Nikolaus für die Kinder geht es jedoch letztlich um allgemein gültige menschliche Werte, die jedermann berühren. Liebe zu Kindern kennt keine Grenzen der Rasse, Kultur oder Religion. Dieser Aspekt ist sehr bedeutsam und erklärt die unverändert hohe Verehrung dieser Gestalt. In Böfingen und anderen Stadtteilen besuchte Nikolaus Familien mit ganz unterschiedlichem kulturellem Hintergrund. Wir konnten beobachten, dass seine Botschaft überall von Groß und Klein verstanden wurde. Die eingegangenen Spenden in Höhe von 620 EUR kommen wie in jedem Jahr verschiedenen Entwicklungs- und Hilfsprojekten zugute.
H. Reinelt, W. Forst