Die Evangelien zeigen uns Bilder. Am vergangenen Sonntag war es das Bild vom Guten Hirten und seiner Herde. Heute ist es das Bild vom Weinstock und den Rebzweigen. Die Trauben wachsen und gedeihen, weil die Reben mit dem Weinstock verbunden sind. Diese Verbindung ist unverzichtbar. Diese Verbindung mit dem Weinstock, mit den Wurzeln.   Wegen Corona schaue ich derzeit öfter mal ins Internet. Neulich habe ich da eine neue Rockband entdeckt. Sie wissen schon, junge Menschen, die so unglaublich laute Musik machen, elektrisch verstärkt. Die Band heißt Greta Van Fleet. Von denen schaue und höre ich mir ein Video an. Das darf doch nicht wahr sein! Ich schließe die Augen. Led Zeppelin ist auferstanden! Led Zeppelin, eine der erfolgreichsten Bands aller Zeiten. Vor 50 Jahren haben sie den Hardrock erfunden, zusammen mit anderen, Deep Purple, Uriah Heep, Soundtrack meiner wilden Jahre. Ich mache die Augen auf und sehe sie auf dem Bildschirm. Greta Van Fleet. Vier Jungs Anfang 20. Schulterlanges Haar. Bühnenoutfit wie in den 70ern mit ganz viel Glitzer. Die Gitarre ist eine Gibson SG in Mahagoni von 1961. Die Verstärkertürme sind von Marshall. Röhrenverstärker. Sensationell. Led Zeppelin als Boygroup in der Endlosschleife. Die Kritiker streiten sich. Die einen sagen: Das ist nur eine billige Kopie von Led Zeppelin, ein Abziehbildchen. Das braucht niemand. Die anderen halten dagegen: Nein, die Jungs bekennen sich zu ihren Wurzeln. Sie entdecken, was unsere populäre Musikkultur geprägt hat. Sie interpretieren die Tradition neu, zeitgemäß, kreativ, in unglaublicher Qualität. Der Sänger, der Gitarrist, absolut virtuos. Greta Van Fleet. Vier Jungs Anfang 20. Wo kommen die her? Aus den USA, aus dem Staat Michigan, aus der Kleinstadt Frankenmuth, 5000 Einwohner, tiefste Provinz. Dort sind sie aufgewachsen. Drei von ihnen sind Brüder. Ihr Vater hat schon immer Gitarre gespielt und er hat eine Sammlung von Schallplatten. Was man halt so im Plattenschrank hat: Chuck Berry, die Beatles, die Stones, Bob Dylan, Rock ´n Roll, Folk, Soul. Das hören die vier Jungs. Das spielen sie nach. Das sind ihre Wurzeln.   Wurzeln, Tradition, ohne das geht es nicht. Zurück zum Evangelium. Der Weinstock und die Rebzweige. Die Reben bringen reiche Frucht, Trauben, weil sie mit dem Weinstock verbunden sind. Jesus Christus ist der Weinstock. Wir sind die Rebzweige. Wir sind fest mit ihm verbunden. Getrennt von ihm können wir nichts tun. Verbunden mit ihm ist alles möglich, neues Leben, Auferstehung. Verbunden mit ihm können wir leben, wie er gelebt hat, denken, reden, handeln wie er. Was tut er? Was sagt er? Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. So einfach ist das. So einfach? Wie geht das? Gott lieben? Den Nächsten lieben wie sich selbst? Jesus Christus zeigt es uns, wie das gehen kann in den unterschiedlichsten Situationen. Mit ihm sind wir verbunden. In ihm sind wir tief verwurzelt. Wir schauen auf ihn. Wir schauen auf unser Leben und dann entscheiden wir selbst in unserem Gewissen, was das jetzt gerade heißt: Gott lieben und den Nächsten lieben wie sich selbst. Wir dürfen das. Wir können das: Selbst entscheiden in unserem Gewissen, weil wir mit ihm verbunden sind wie die Rebzweige mit dem Weinstock.

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner