Der Hirte, hat sich da etwas gewandelt? Wie ist das mit den Hirten in der Kirche? Wer entscheidet? Wer hat das Sagen? Wir schlagen das Gesetzbuch der katholischen Kirche auf, den Codex Juris Canonici von 1983. Da steht, wer das Sagen hat: In der ganzen Kirche der Papst, in der Diözese der Bischof, in der Pfarrei der Pfarrer. Laien, die gewählt sind, beraten den Pfarrer. Laien, die sich auskennen, helfen ihm bei der Verwaltung des kirchlichen Vermögens. Entscheiden freilich dürfen sie nicht. Das macht der Pfarrer alleine. Diese Regel gilt in der ganzen Kirche. In der ganzen Kirche? Nein, es gibt da eine kleine Diözese im Südwesten von Deutschland, da ist es anders. Es war im Jahr 1968, ein symbolträchtiges Jahr. Studentenproteste, alte Zöpfe wurden abgeschnitten, Marsch durch die Institutionen, mehr Demokratie wagen. 1968, da setzte der Bischof von Rottenburg eine Pfarrgemeinderatssatzung in Kraft und zwei Jahre später, 1970, eine Kirchengemeindeordnung, eine rechtliche Struktur für seine Kirchengemeinden. Darin steht: Alle Angelegenheiten, die für das Leben der Gemeinde von Bedeutung sind, müssen im Kirchengemeinderat, im KGR, beraten und beschlossen werden. Der KGR besteht aus demokratisch gewählten Frauen und Männern. Dazu kommt der Pfarrer. Er und die Gewählten haben je eine Stimme. Mit beratender Stimme sind im KGR der Kirchenpfleger und pastorale Mitarbeiter wie Diakone oder Gemeindereferentinnen soweit vorhanden. Eine besondere Verantwortung hat der Pfarrer in Fragen der Glaubenslehre und des Gottesdienstes. Er muss einem Beschluss des KGR widersprechen, wenn dieser Beschluss der Kirche schadet. Es muss dann erneut beraten werden, bis eine einvernehmliche Lösung gefunden ist. Wer hat also das Sagen in der Gemeinde? Nicht der Pfarrer alleine, sondern der KGR mit dem Pfarrer zusammen. Das gilt in unserer Diözese. Da soll noch einer sagen, die Kirche habe sich nicht gewandelt, sie habe sich nicht geöffnet für eine zeitgemäße Form der Entscheidungsfindung. Katholiken in anderen Diözesen beneiden uns, weil sie in ihren Bistümern faktisch nichts zu sagen haben. Nur wenn es darum geht, Geld aus der Kirchensteuer auszugeben, dürfen sie mitreden. Mehr Demokratie, mehr Mitverantwortung aller, Wandlung der Gesellschaft, sie führte zu einer Wandlung der Kirche, und zu einer Wandlung der Hirten. Eines vergessen wir dabei nicht: Der eigentliche Hirte der Kirche ist Jesus Christus. Er zeigt uns den Weg. Er geht uns voran: Jesus Christus, der gute Hirt.

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner