Gutes tun in der Welt. Arbeiten. Bete und arbeite. Ora et labora. Die ökumenische Gemeinschaft von Taizé sagt es in anderen Worten und meint doch dasselbe. Ihr Leitwort lautet: Kampf und Kontemplation. Kontemplation. Wir schauen nach innen, in unsere Seele, in unser Herz. Dort suchen wir Gott. Aus dieser Innerlichkeit treten wir hinaus in die Welt. Wir setzen uns ein für das Gute. Wenn es sein muss kämpfen wir auch dafür. Kampf und Kontemplation. Vor mehr als 30 Jahren, 1985 bis 1986, hat in Rottenburg eine Diözesansynode stattgefunden, ein Kirchenversammlung, ein kleines Konzil für unsere Diözese, wenn wir so wollen. Ein Leitwort der Synode war: Mystik und Politik. Mystik. Wir gehen den Weg nach innen, in unsere Seele, in unser Herz. Dort suchen wir Gott. So gestärkt und geleitet gehen wir nach draußen. Wir werden aktiv in der Welt. Wir übernehmen Verantwortung in der Kirche, in der Gesellschaft, in der Politik. Mystik und Politik. „Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor.“ Für uns Christen ist beides wichtig: das Gute im Herzen, innen, und das Gute tun, draußen. Doch wir sind in der Versuchung, vor allem das Außen zu betonen, Gutes tun, und dass Innen zu vernachlässigen, zu vergessen, das, was uns in unserem Herzen bewegt, den guten Schatz im Herzen. Deshalb gibt es Menschen, die vor allem das letztere betonen. Sie gehen in die Stille, in die Einsamkeit. Sie gehen den Weg nach innen. Dort suchen sie Gott. Einsiedler. Eremiten. Etwa 80 von ihnen gibt es in Deutschland. Frauen und Männer. Einer von ihnen ist Pater Wolfgang Götz. Das SWR-Fernsehen hat eine Dokumentation über ihn produziert. Im Internet habe ich den Film neulich entdeckt. Pater Götz lebt in einer kleinen Holzhütte im Wald, seit mehr als 30 Jahren. Er betet. Er meditiert. Er liest geistliche Schriften. Warum tut er das? Er sagt: Das ist meine Berufung. Er sagt: Die Kirche tut ja so viel Gutes. Sie unterhält Schulen. Sie leistet Entwicklungshilfe weltweit. Das alles ist wichtig und wertvoll. Das alles freilich wäre auch sinnvoll, wenn wir nicht an Gott glauben würden, wenn es Gott gar nicht gäbe. Pater Götz hat sich deshalb entschieden, ganz für Gott zu leben, ihn zu suchen, mit ihm in Verbindung zu sein, wenn es geht rund um die Uhr. Gebet, Kontemplation, Mystik, das ist sein Lebensinhalt, sein guter Schatz im Herzen. Doch ganz ohne Arbeit geht es auch bei ihm nicht. Er darf Brennholz schlagen in dem Wald, in dem seine Hütte steht. Das Holz braucht er auch. Im Winter brennt der kleine Ofen in seiner Hütte Tag und Nacht. Außerdem hat Pater Götz Bienen, drei Völker. Die machen ihm Arbeit und bringen im Jahr 100 kg Honig. Einmal am Tag verlässt der Pater seine Klause. Er geht zu Fuß ein gutes Stück zu einer Kapelle. Dort feiert er die heilige Messe. Selten kommen Menschen dazu. Meist ist er allein beim Gottesdienst. Doch er sagt: Übernatürlich betrachtet bin ich nicht allein. Bei mir sind ja die Heiligen und die Engel. Gelegentlich kommen Menschen zu dem Einsiedler. Sie möchten mit ihm sprechen. Sie suchen Rat. Sie wollen beichten. Das ist möglich. Einmal im Jahr kommt eine Lehrerin mit ihrer Schulklasse zu Besuch. Die Kinder dürfen die Klause besichtigen. Sie dürfen den Pater fragen. Er antwortet geduldig. Er redet in dieser Stunde so viel wie sonst in Monaten nicht. Die Kinder sind tief beeindruckt. Da hat einer das Wesentliche in seinem Leben gefunden, seinen guten Schatz im Herzen. Der ist ihm wichtig, wesentlich. Das lebt er. Alles andere kann er einfach weglassen - und er ist glücklich. „Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor.“ 

Pfr. Dr. Bernhard Lackner